In der Tracht zur „Volkserhebung“ – Hintergründe zur Mobilisierung der rechts-extremen PDV in Graz.
Für den 26. September mobilisiert die rechtsextreme Kleinstpartei PDV (Partei des Volkes), allen voran dessen Bundesparteiobmann und PEGIDA-Graz Aktivist „Tomi Kirsch“ (Facebookname, mutmaßlich mit Klarnamen Thomas Kirschner) zu einer Demonstration: „Für ein Besseres Österreich“. Neben Redebeiträgen von PEGIDA (Mutmaßlich Werner Wirth), „Tomi Kirsch“ selbst und vier weiteren Personen, besteht der geplante Ablauf aus einem Comedian und einer Roboter-Show. Außerdem sind alle Teilnehmer_innen angehalten in Tracht zu kommen. Wenngleich das Programm nach einer schlechten Satire klingen mag, verbirgt sich dahinter eine nicht weniger absurde Mobilisierung eines militanten rechtsextremen Netzwerks mit wiederkehrenden Berührungspunkten zum Neonazismus.
Der Hang zum Neonazismus – wohl kaum alles nur Einzelfälle.
Bereits Monate vor der Mobilisierung zu der „Großkundgebung und Demo“ versuchte die PDV im Internet Stimmung gegen die „schwache Österreichische Regierung“, die „Diktatur“ der EU, sowie gegen Geflüchtete und (vor allem muslimische) Migrant_innen zu machen bzw. gegen Personen, welche sie als solche zu erkennen glauben. Geworben wird seitens der Partei mit rassistischen und nationalistischen Parolen wie „Einwanderung Stoppen – Heimat schützen“, „DAS VOLK, WIR ÖSTERREICHER, UNSER LAND, UNSER STOLZ— WIR SIND ZUERST!!!“, „Grenzen zu und Ruh!“ oder „Überfremdung ist auch eine Form von Völkermord!“. (1)
Besonders letztgenannte Aussage ist Interessant, da sie klar an die Parole „Überfremdung ist Völkermord“ der Liste „Nein zur Ausländerflut“ angelehnt ist. Mit entsprechender Liste wollten bereits 1990 die prominenten Neonazis Gerd Honsik, Franz Radl und Horst Jakob Rosenkranz (der Ehemann von der FPÖ Politikerin Barbara „Kellernazi“ Rosenkranz) bei den Nationalratswahlen antreten. Dies wurde von der Wiener Kreiswahlbehörde u.a. aufgrund des einschlägigen Charakters der genannten Parole abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof bestätigte diese Entscheidung in seinem Urteil vom 28. Februar 1991 und erkannte, dass sich die Liste „Nein zur Ausländerflut“ in ihrer Agitation eng an die NSDAP anlehnt. (2)
Dies ist jedoch nicht die einzige Verbindung zwischen der PDV und dem Neonazismus. Sowohl am 25. April als auch im 2. Juni dieses Jahres veröffentliche die PDV auf ihrer Facebookseite ein Bild des Brandenburger Tores mit dem Schriftzug „Ein stolzer Mensch unterwirft sich nicht!“ Er wehrt sich!!!“ Auf dem Brandenburger Tor weht dabei die schwarz-weiß-rote Reichsflagge.
Ein weiteres Beispiel ist das im Juni von der PDV gepostete Sujet mit dem Schriftzug „ASLYANTENHEIM? NEIN DANKE!“. Dass die Neonazistische NPD, allen voran der Abgeordnete Jörg Hähnel im Kleingedruckten als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts (V.i.S.d.P.) auf dem Sujet steht, stört „Tomi Kirsch“ offensichtlich nicht.
Allgemein scheint „Tomi Kirsch“ seine Parolen und Sprüche gerne aus dem rechtsextremen bis neonazistischem Lager auszuborgen. So schrieb er Ende August: „STOLZ UND FREI SIND WIR GEBOREN, SO SOLL UNS DIE ZUKUNFT SEHN, NOCH IST ÖSTERREICH NICHT VERLOREN, WENN WIR NUR ZUSAMMENSTEHN.“ (3)
Im Original stammt der Text aus dem Refrain eines Marsches, welches Uwe Roland 1971 für die rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU) komponierte – nur mit dem Unterschied, dass Deutschland anstatt Österreich besungen wird. Inzwischen fusionierte die DVU längst mit der NPD, entsprechendes Lied und Text in paramilitärische Ästhetik sind jedoch nach wie vor über diverse Neonazi-Sampler im Umlauf.
Wohl am deutlichsten drückt jedoch „Tomi Kirsch“ seine Neonazistische Position in einem öffentlichen Posting auf seinem persönlichen Facebook-Profil aus.
Zur Erinnerung: „Stadt der Volkserhebung“ war der Nationalsozialistische Ehrentitel der Stadt Graz. Grund für die Verleihung waren massive Demonstrationen im Februar 1938, bei denen mehrere Tausend Illegale NationalsozialistInnen mit Fackeln und verbotenen Hakenkreuzfahnen durch Graz zogen, politische Gegner_innen attackierten und die Hakenkreuzfahne auf dem Grazer Rathaus hissten – noch Wochen vor der vom Großteil der österreichischen Bevölkerung gewollten Machtübernahme durch Nazideutschland. Gerade dieser Hintergrund verschafft der erneut von „Tomi Kirsch“ am 4. September geposteten Aufforderung „Volk erhebe dich!“ ebenfalls ein klar braunes Gewand. (4)
„Volkserhebung“, „Volksaufstand“, „Bürgerkrieg“ – die Gewaltbereitschaft der PDV
Diese Idee eines militanten Volksaufstands von rechts außen, sozusagen einer Volkserhebung 2.0, findet sich wiederholt in Meldungen und Aussagen der PDV. So schrieb die Partei am 21. Juli dieses Jahres: „Diese Regierung muss freiwillig abtreten! Sonst kommt der Volksaufstand! Unfähige Politiker ohne Hirn brauchen wir nicht mehr! Ihr seid eine Schande für unser Volk und für unsere Vorfahren die das schöne Österreich aufgebaut haben! (…) (W)ir Patrioten setzen uns nun zur Wehr! Zuerst kommen wir!“ (5) Zu dem, was die Vorfahren in den Jahren vor dem Wiederaufbau getrieben haben, wird hingegen bewusst geschwiegen. Scheinbar war nichts dabei, was in der Gedankenwelt von „Tomi Kirsch“ die Verehrung der Kriegsgeneration mindern könnte. (6)
Teil einer Kriegsgeneration zu sein, scheint für den nach eigenen Angaben in einem Jagdkommando militärisch ausgebildeten „Tomi Kirsch“ und seiner PDV allgemein eine erstrebenswerte Vorstellung zu sein. So schrieb die Partei auf ihrem öffentlichen Facebook-Profil am 30 Juli um 22.29 Uhr:
Nachdem mit Angriffskriegen wohl nur schwer Sympathien gewonnen werden können (mal abgesehen von den militantesten Lagern des Neonazismus,) korrigierte die Parteiführung die Linie etwas und konstruierte kurzerhand den Verteidigungsfall. So heißt es nun seit 1. September: „Wir haben bereits Bürgerkrieg nur mit dem Unterschied, wir wehren uns nicht“. Aber zum Glück weiß Tomi auch für dieses Problem ein Lösung: „Wir werden uns wehren! Der Start ist am 26. SEPTEMBER 2015 IN GRAZ!“
Bei so viel Verblendung taten sich selbst seine treuen Fans schwer und mussten nachfragen, wo denn der Krieg sei. „Tomi Kirsch“ antwortete: „Der ist schon lange da! Ganz leise!“ (7) Wohl so leise, dass ihn nur er selbst hören kann. (Da akustische Halluzinationen ein Symptom für schwerwiegende Psychische Erkrankungen sein können, legen wir Herrn „Tomi Kirsch“ dringend nahe, zur genaueren Abklärung medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.)
Genauso offen in der Gewaltandrohung teilte die PDV auch am 30. Juni 2015 mit, sie habe sie sich „ENTSCHLOSSEN, gegen diese Regierung und gegen diese Irre Eu und gegen die Islamisierung sowie gegen den Asylwahn zu kaempfen (sic!)“. Dazu gepostet wurde ein Bild eines Soldaten mit einem Gewehr im Anschlag. (8)
Auch in einem inzwischen gelöschten Facebookposting vom 1. September unterhaltet sich „Tomi Kirsch“ mit einem Sympathisanten auf der Mobilisierungsseite unverhohlen nur über die Bereitschaft und die Notwendigkeit von Gewalt in ihrer Sache:
PDV ruft – wer kommt? Ein paar prominente Gäste und Sympathisanten von ganz Rechts.
Trotz dieser eindeutigen Positionierungen spricht „Tomi Kirsch“ im Infotext für die geplante Demonstration ein „Absolutes Verbot für Rechtsextreme und Naziangehauchte Personen [aus.] Hier wird keine Hand gehoben oder irgendwelche Rassistische Idee ins Leben gerufen!“ Wie lächerlich diese offensichtlich rein strategische Distanzierung ist, zeigen nicht nur die hier vorgestellten Schnittpunkte des Veranstalters und seiner Partei zum militanten Neonazismus, sondern auch die persönliche Einladung die „Tomi Kirsch“ der Welser rechtsextremen Szenegröße Ludwig Reinthaler am 18. August um 02.09 Uhr an dessen Facebook-Chronik schrieb. Natürlich nahm der Welser Braune die Einladung dankend an und bestätigte seine Teilnahme.
Reinthaler war in den 80er Jahren Mitglied der vom Olympia-Burschenschafter und Südtirolterroristen Norbert Burger angeführten Nationaldemokratischen Partei (NDP) und versuchte 2009 mit seiner Liste „Die Bunten“ bei den Gemeinderatswahlen in Wels zu kandidieren. Der Versuch scheiterte aber am NS-Verbotsgesetz. Momentan scheint sich seine politische Arbeit neben der Hetze gegen Geflüchtete auf den Kampf gegen das in seinen Augen „verbrecherische“ NS-Verbotsgesetz und auf die Solidaritätsarbeit mit inhaftierten Neonazis wie dem Holocaustleugner Horst Mahler zu konzentrieren.
Ebenso mobilisiert wurde von Kirsch auf der Facebook-Seite der Neurechten Identitären Bewegung Steiermark. Auch Wenn „Tomi Kirsch“s Beitrag inzwischen gelöscht scheint, scheint er die Sympathien des führenden Identitären Aktivisten Martin Sellner geweckt zu haben. Sellner trat in der Vergangenheit u.a. zusammen mit weiteren Neonazis 2009 bei der Gedenkfeier des Nazi-Piloten Walter Nowotny in Erscheinung und wird als Administrator der Neonazi-Homepage Alpen-donau.info vermutet. Jetzt kämpft er gegen Asyl- und Multikulti“wahn“ und postet patriotisches Liedgut an die Facebookseite des PDV Aufmarschs. (9)
Aktive Unterstützung gibt es, wie zu vermuten war, aus dem PEGIDA-Umfeld. Zum Beispiel forderte Edwin Wagensveld, besser bekannt als „Ed aus Utrecht“ am 18. August via Facebook auf, die für die PDV Kundgebung zu werben, da sie „eine gute Sache sei“ und die gleichen Ziele wie PEGIDA verfolge. Als Gastredner zahlreicher PEGIDA Veranstaltungen (u.a. auch in Graz) und „Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa)“-Aktivist muss er es ja wissen. Und geschäftsschädigend für seinen Zivilberuf als Betreiber eines Onlineshops für Elektroshocker, Pfefferspray und Baseballschläger ist so ein Volksaufstand sicherlich auch nicht. (10)
Ihm gleich tat es übrigens der offizielle PEGIDA-Sprecher und mutmaßlicher Gastredner Werner Wirth. (11) Auch er rief den 26. September als „Tag der Patrioten in Graz“ aus und forderte zur Teilnahme auf. Womöglich trifft er dann auf seinen Vorgänger Georg Immanuel Nagl, der via Facebook ebenfalls zugesagt hat. Der ehemalige PEGIDA-Sprecher, musste damals wegen seiner „Patscherheit“ im Umgang mit Journalist_innen das Feld räumen – nachdem seine Vorliebe zur NS-Symbolik medial groß aufgegriffen wurde. Neben seiner Autorenschaft mehrerer völkischer und deutschnationaler Blätter wie „Zur Zeit“, „Der Eckart“, „Die Aula“ oder „Blaue Narzisse“ engagiert er sich stark in der Vernetzungsarbeit zwischen katholisch-fundamentalistischem und deutschnationalem Lager und im heterosexistischen, antifeministischen Aktionismus.
Der Aufmarsch der PDV am 26. September in Graz ist zweifelsohne keine harmlose Ansammlung „patriotischer“, „besorgter“ Bürger_innen. Es ist ein brandgefährlicher rassistischer Mob, der sich aufgrund aktueller Krisen so sicher fühlt, dass er seine Gewaltbereitschaft und rechtsextreme bis neonazistische Position nur noch halbherzig verschleiern muss.
Wir müssen es als unsere Aufgabe sehen, unsere Solidarität nicht nur in Worten zu fassen sondern auch durch Taten sprechen lassen. Etwa in dem wir rassistischen Pogromen bereits vor ihrer Entstehung den Boden entziehen. In dem wir Netzwerke von geistigen Brandstifter_innen aus der Deckung holen. Und schlussendlich, in dem wir verhindern, dass ein Mob aus Patriot_innen, Hooligans, Rechtsextremen und Neonazis am 26. September ungestört durch Graz marschieren können. Wir werden zahlreiche Aktionen setzen um den Aufmarsch der PDV zu verhindern und rufen auch andere dazu auf.
NO PASARAN!
Grenzenlose Solidarität statt Rassismus und Nationalismus!
Gruppe stop_pdv. Graz, Anfang September 2015
Fußnoten:
- Facebookposting der PDV vom 13.März 2015
- Vgl. Bailer& Neugebauer: Rechtsextreme Vereine, Parteien, Zeitschriften-(kreise), informelle/illegale Gruppierungen. In: Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.): Handbuch des österrichischen Rechtsextremismus Wien: 1993(S.102-326) S.214.
vgl. DÖW (1999): FPÖ gegen „Überfremdung“ Online abrufbar unter: http://old.doew.at/projekte/rechts/chronik/1999_09/stop1.html (letzter Zugriff: 07.2015) - Facebookposting von „Tomi Kirsch“ am 27. August um 10.27 Uhr
- Facebookposting von „Tomi Kirsch“ am 4. September 2015 um 01.25 Uhr
- Facebookposting der PDV vom 21. Juli 2015
- Ganz im Gegensatz zu jenen, die militärisch dem Nationalsozialismus ein Ende bereiteten. So schrieb Facebookposting von „Tomi Kirsch“ am 01. September 19.44 Uhr bzgl. der Parteiposition zu TTIP. „Wir brauchen und wollen keine Amis in unserem Land! […] Ihr wart schon einmal da, nie mehr wieder!“ In einem Kommentar unter dem Artikel schrieb am gleichen Tag um 21.06 Uhr „Gabor Söregi“: „Ich brauche weder die Amis noch die Russen in Österreich […]. Seit dem 1. Weltkrieg werden wir durch die sogenannet (sic!) Hochfinanz in Kriege verwickelt, damit wir ausgebeutet werden. Schluss damit! Europa den Völkern Europas!“ „Tomi Kirsch“ markierte diesen Beitrag mit „gefällt mir“.
- Facebookpostings von „Tomi Kirsch“ am 1.September zwischen 13.17 Uhr und 13.25 Uhr
- Facebookposting der PDV vom 30. Juni 2015
- Vgl Facebookposting von Martin Sellner am 27. August um 22.19 Uhr
- Vgl. Geiges, Marg, Walter: Pegida. Bielefeld: 2015, S.24. vgl. auch Facebookposting von Edwin Utrecht vom 18. August 2015 um 09.48 Uhr.
- Vgl. Facebook-postings von Werner Wirth vom 25. August 2015 um 19.56 Uhr bzw. vom 27. August um 17.24 Uhr.